Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält Steuererhöhungen für unabdingbar, um in den kommenden Jahren die Pandemieschulden zu bewältigen und gleichzeitig in Klimaschutz und die Digitalisierung investieren zu können. „Es ist unehrlich von Manchen in der Politik zu behaupten, man könne wie nach der Finanzkrise einfach wieder aus den Schulden herauswachsen“, sagte Fratzscher dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Dienstagausgaben). In den kommenden zehn Jahren werde anders als nach der Finanzkrise 2008/2009 durch den demografischen Wandel die Beschäftigung deutlich sinken.
Gleichzeitig müssten Milliardensummen in die Digitalisierung und den Klimaschutz investiert werden. „Dieser Spagat wird nicht ohne Steuererhöhungen gelingen“, sagte der DIW-Chef. Fratzscher forderte eine Entlastung von Arbeitseinkommen und höhere Steuern auf Vermögen. „Es gibt kaum ein Land auf der Welt, das Arbeitseinkommen so stark und Vermögen so gering besteuert wie Deutschland“, beklagte er. Frankreich, die USA oder Großbritannien hätten etwa vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung als Einnahmen durch vermögensbezogene Steuern, in Deutschland seien es unter einem Prozent. Der DIW-Chef sprach sich allerdings gegen die von der SPD geforderte Wiedereinführung der Vermögensteuer aus: „Ich teile die Ansicht, dass der Aufwand für deren Erhebung erheblich ist und die Steuer zu ungewollten Ausweichreaktionen führen kann“, sagte er. Fratzscher plädierte statt dessen für eine stärkere Besteuerung von Grund und Boden und eine „faire Erbschaftsteuer mit niedrigeren Sätzen, aber weniger Ausnahmen.“ Im Gegenzug müssten kleinere und mittlere Arbeitseinkommen entlastet werden. „Auch die Unternehmen benötigen eine Entlastung, schließlich stehen sie im internationalen Wettbewerb“, forderte der DIW-Chef. (dts Nachrichtenagentur)