Gesundheit

Kassenärzte fürchten Verzögerungen bei Impfungen in Praxen

Nach dem Astra-Zeneca-Impfstopp warnen die Kassenärzte vor weiteren Verzögerungen bei flächendeckenden Impfungen in Arztpraxen. „Von den 60 Millionen Impfdosen, die im zweiten Quartal fest eingeplant sind, entfallen knapp 17 Millionen auf Astra-Zeneca“, sagte der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, dem „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). „Wenn die auch nur vorübergehend ausfallen, dann wird es schwieriger, mit dem Impfen in den Praxen zu beginnen.“

Gassen sagte, er rechne „auf jeden Fall mit Verzögerungen“. Zugleich zeigte er Verständnis für die Entscheidung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Was hätte Jens Spahn denn anderes entscheiden sollen? Hätte er sich als Gesundheitsminister über die fachliche Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts hinwegsetzen sollen“, so Gassen. Das wäre keine echte Option gewesen. „Es ist immer wohlfeil, so etwas zu fordern, wenn man das nicht selbst entscheiden muss.“ Der KBV-Chef forderte, den verschobenen Impfstoffgipfel von Bund und Ländern „sehr bald“ stattfinden zu lassen. „Schließlich wollen wir erreichen, dass wir die Bevölkerung im Sommer größtenteils durchgeimpft haben, um dann auch alle sonstigen Maßnahmen einstellen zu können“, sagte der Mediziner. Deshalb müssten Bund und Länder dafür sorgen, „dass die Impfstofflieferungen verlässlich in die Praxen kommen“. Der Impfstoffexperte Leif Erik Sander geht davon aus, dass der Impfstopp für Astrazeneca die „ohnehin schleppende“ Impfkampagne in Deutschland weiter schwächt. „Ich befürchte, dass der Imageschaden und der Schaden für die Akzeptanz dieser Impfung groß sein wird“, sagte der Chef der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Charité Berlin dem „Spiegel“. Er sei sich sicher, dass die zuständige Behörde, das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), seine Empfehlungen „faktenbasiert und korrekt und im besten Interesse für den Schutz der Bevölkerung“ treffe. „Es wird aber bedauerlicherweise wohl ein kommunikativer Schaden bleiben“, sagte Sander. Dabei sei das Präparat von Astrazeneca weiterhin ein „hochwirksamer und sehr sicherer Impfstoff“. Die Vorteile des Impfstoffes würden nach wie vor das Risiko übertreffen. „Wenn man die Zahlen der tödlich verlaufenen Hirnvenenthrombosen – drei auf 1,6 Millionen – gegen die verhinderten Todesfälle durch Covid-19 rechnet, überwiegt vermutlich weiterhin der Nutzen der Impfung deutlich.“ Die aktuelle Entwicklung der Covid-Inzidenzen und der zu erwartende baldige Anstieg der Krankenhauseinweisungen und Todeszahlen werde diesen Trend noch verstärken, so Sander. „Daher finde ich, dass wir nach sehr rascher Prüfung, je nach Ergebnis, so schnell wie möglich die Impfungen wieder aufnehmen sollten.“ (dts Nachrichtenagentur)

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