Der frühere Grünen-Chef Omid Nouripour fordert von seiner Partei vor ihrem Parteitag mehr Realitätsnähe, glaubt aber auch weiterhin an gute Wahlergebnisse.
„Die Welt da draußen brennt, die Ukraine kämpft ums Überleben, die Regierung kriselt, der Klimawandel schlägt durch – darauf wollen die Menschen unsere Antworten wissen und doch nicht, wie wir zur Homöopathie stehen“, sagte der Grünen-Politiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Donnerstagsausgabe). Er bezog sich dabei auf einen umstrittenen Antrag, den mehrere Tausend Mitglieder auf die Tagesordnung des Parteitags gewählt hatten.
„Die Anmutung sollte nicht sein, dass wir uns mit Dingen von kleinerer Wesentlichkeit beschäftigen“, sagte Nouripour der FAZ. „Unser Platz ist die Mitte der Gesellschaft, nicht der Rand. Dass wir da hinwollen, das müssen wir ausstrahlen. Dann sind auch wieder zwanzig Prozent in Wahlen möglich. Gerade auch mit Blick auf den dauerhaften Sinkflug der Sozialdemokratie.“
Der Bundestagsvizepräsident kritisierte dabei auch die Ukraine-Politik von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU): „Ich bin frustriert, nicht nur wegen Donald Trump, sondern wegen der Reaktion der Europäer: Diese war zögerlich, langsam und wieder nur getrieben. Wir warten immer nur darauf, amerikanische Vorschläge zu modifizieren, statt eigene zu machen“, sagte Nouripour.
Er forderte, dass die Europäer ihrerseits mit einem Ultimatum reagieren und zu einem Waffenstillstand auffordern sollten. „Und wenn das nicht passiert, tun wir, was Russland wirklich wehtut: die eingefrorenen russischen Vermögen konfiszieren und für den Wiederaufbau der Ukraine verwenden. Und dann Marschflugkörper liefern“, sagte Nouripour. „Es ist wie bei einer Burg, die unentwegt mit Katapulten beschossen wird, und wir liefern absichtlich nichts, was diese Katapulte zerstören könnte. Und der Bundeskanzler schweigt weiter dazu. Das will mir nicht in den Kopf.“ (dts Nachrichtenagentur)