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Thierse hält Demokratieverdruss nicht allein für ostdeutsches Problem

Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) sieht 30 Jahre nach dem Mauerfall die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Demokratie nicht allein als Phänomen der neuen Bundesländer. „Demokratieverdruss ist nicht nur ein ostdeutsches Problem“, sagte Thierse „Zeit-Online“. Zugleich räumte der frühere DDR-Bürgerrechtler ein, dass der Bundestag im Osten ein Akzeptanzproblem habe.

Die langjährige Diktaturerfahrung und Bevormundung während der Nazizeit und der DDR hätten bei den Ostdeutschen „eine Haltung erzeugt, alles von oben zu erwarten“, so der frühere Bundestagspräsident weiter. Im Unterschied zu den Westdeutschen, deren Demokratisierung in den Wirtschaftsaufschwung der Nachkriegszeit fiel, hätten die Ostdeutschen die Demokratie „unter schwierigsten Umständen erlernen“ müssen, sagte Thierse. Der „dramatische und schmerzliche ökonomische, soziale, politische und kulturelle Umbruch“ sei ein Grund dafür, dass die Demokratie im Osten bis heute mit Enttäuschungen behaftet sei. Unter anderem diese Gefühlslage beute die AfD aus, so der SPD-Politiker weiter. Im Kampf gegen Populismus helfe es nicht, auf Angst und Unsicherheiten mit Beschimpfungen oder Schulterklopfen zu reagieren. Politik müsse „die ängstigenden Probleme lösen“, sich erklären und Alternativen debattieren, sagte der ehemalige Bundestagspräsident. Der Begriff „alternativlos“ sei eines der problematischsten Worte der letzten 20 Jahre gewesen. „Die AfD ist eine Reaktion darauf, dass viele Entscheidungen nicht mehr nachvollziehbar waren“, so der SPD-Politiker weiter. „Heute wäre ich nicht mehr so gerne Präsident des Bundestags“, sagte Thierse „Zeit-Online“ angesichts des Auftretens der AfD im Bundestag. (dts Nachrichtenagentur)

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